Das FINANZAMT ORANIENBURG befindet sich im ehemaligen Sitz der Inspektion der Konzentrationslager des "Dritten Reiches" in direkter Nachbarschaft zum damaligen KZ Sachsenhausen. Der Erweiterungsbau dockt also unmittelbar an historisch "kontaminierte" Substanz an, deren frühere Nutzung mit dem gewaltsamen Tod von Millionen Menschen verbunden ist. Beim Entwerfen stellte sich deshalb mehr als wohl bei sämtlichen jemals zu denkenden Bauaufgaben die Frage nach dem Umgang mit Bestand und Kontext.
Jeder ORT hat sowohl eine historische als auch eine in die Zukunft gerichtete Dimension. Von dieser geschichtlichen Bedeutung kann sich keine Bauaufgabe freimachen, sei sie auch noch so einfach. Diese Tatsache gilt insbesondere dann, wenn der Ort durch den Tatbestand der Diskriminierung, Verfolgung und Tötung von Menschen "kontaminiert" ist. Trotzdem dieses Moment unsichtbar ist wird es zur verbindlichen Inspirationsquelle für den städtebaulichen Kontext und seine konkrete architektonische Ausformung. Der Neubau reflektiert dieses Verständnis mit einer strikten gestalterischen Autonomie: Der Baukörper nimmt keinen Bezug zum "Tätergebäude" und besitzt auch keine sichtbare Verbindung zu diesem, weder Geschossigkeit noch Eingang sind thematisiert. Diese Abstraktion wird durch verschiedene, sorgsam austarierte Gestaltungsmittel erreicht.
Im Zentrum steht dabei die ILLUSION in Form einer optischen Täuschung bei der grafischen Gestaltung der bandartig umlaufenden Fassade. Der auch als "Café Wall Illusion" bekannte Effekt wird durch gegeneinander verschobene Öffnungen in den drei Fensterbändern für die zwei Geschosse erreicht. Dabei wird die Parallelität der waagerechten Linien scheinbar aufgehoben. Dieses Thema wird durch die Überlagerung verschiedener Ordnungssysteme ergänzt. Die daraus resultierenden Reflexionen und Transparenzen ermöglichen unterschiedliche Bezüge und Mehrschichtigkeit, die optisch und im übertragenen Sinn die Wahrnehmung schärfen. Der Begriff "Reflexion" ist also sowohl für die Spiegelung auf einer Oberfläche als auch für die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Ort gültig.